Informationsschreiben HealthCare & Krankenhaus & Vergaberecht

Mit unseren Rundschreiben informieren wir die Geschäftsführungs- und Leitungsebene von Krankenhäusern über aus unserer Sicht wichtige rechtliche Entwicklungen im Krankenhaussektor.

Zum Zweckbetrieb Krankenhaus i. S. d. § 67 AO

Da viele Krankenhäuser in gemeinnütziger Trägerschaft stehen, ist nachfolgende Entscheidung des BFH zur Abgrenzung des Zweckbetriebs vom steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb von Bedeutung.

BFH, Urteil v. 14.12.2023, V R 28/21; veröffentlicht am 11.04.2024

Einnahmen eines Krankenhauses aus der Personal- und Sachmittelgestellung an nach § 116 SGB V ermächtigte Ärzte und demgemäß die diesen Einnahmen zuzuordnenden Ausgaben hängen nicht mit dem Zweckbetrieb „Krankenhaus“ iSv § 67 Abs. 1 AO zusammen und sind folglich nicht von der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer befreit, sondern gehören zu den Besteuerungsgrundlagen, die einem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen sind (§ 64 Abs. 1 AO).


Gesetzliche Grundlagen

Nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG sind Körperschaften, die nach der Satzung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 AO), von der Körperschaftsteuer befreit. Wird ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb unterhalten, ist die Steuerbefreiung insoweit ausgeschlossen (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 KStG).

Im Ergebnis sind damit der ideelle Bereich, die Vermögensverwaltung und der Zweckbetrieb, also wirtschaftliche Aktivitäten zur Verwirklichung gemeinnützigen Zwecke, steuerbefreit.

Gemäß § 67 Abs. 1 AO ist ein Krankenhaus, das in den Anwendungsbereich des Krankenhausentgeltgesetzes oder der Bundespflegesatzverordnung fällt, per definitionem ein Zweckbetrieb, wenn mindestens 40 % der jährlichen Belegungstage oder Berechnungstage auf Patienten entfallen, bei denen nur Entgelte für allgemeine Krankenhausleistungen (§ 7 KHEntgG, § 10 BPflV) berechnet werden.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts, betrieb mehrere Krankenhäuser, welche sie als gleichartige gemeinnützige Betriebe gewerblicher Art (BgA) zu einem einheitlichen BgA zusammenfasste, mit dem Satzungszweck der Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens und der öffentlichen Gesundheitspflege.

Das Krankenhaus genehmigte den bei ihr angestellten Ärzten als Nebentätigkeit die ambulante Behandlung von Patienten, soweit die Ärzte nach § 116 SGB V oder nach § 31a der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten ermächtigt oder (teil-)zugelassen waren (ermächtigte Ärzte) und eine Zulassung für das Krankenhaus nicht bestand.

In ihren Körperschaftsteuererklärungen für die Jahre 2007 und 2010 erklärte die Klägerin jeweils Verluste aus ihrem BgA, in Streitjahren 2008, 2009 und 2011 jeweils Gewinne. Dabei wollte das Krankenhaus die Gewinne aus der Personal- und Sachmittelgestellung an die ermächtigten Ärzte dem Zweckbetrieb „Krankenhaus“ zuzuordnen.

Das FA war hingegen der Auffassung, dass diese Gewinne dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb der Klägerin unterfielen.

Entscheidung

Der BFH hat die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben und die Sache zu anderweitigen Verhandlung und Entscheidung mit folgenden Hinweisen zurückverwiesen. 

Rechtsfehlerhaft hat das FG die Einkünfte der Klägerin aus der Personal- und Sachmittelgestellung an ermächtigte Ärzte für deren Ambulanzen dem Zweckbetrieb „Krankenhaus“ (§ 67 Abs. 1 AO) zugeordnet.

Denn Einnahmen eines Krankenhauses aus der Personal- und Sachmittelgestellung an nach § 116 SGB V ermächtigte Ärzte – und demgemäß die diesen Einnahmen zuzuordnenden Ausgaben – hängen nicht mit dem Zweckbetrieb „Krankenhaus“ (§ 67 Abs. 1 AO) zusammen, sondern gehören zu den Besteuerungsgrundlagen, die einem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen sind (§ 64 Abs. 1 AO).

Es fehlt bereits an einem hinreichenden Zusammenhang der Einnahmen aus der Personal und Sachmittelgestellung mit einer Krankenhausbehandlung. Das Personal und die Sachmittel des Krankenhauses dienen insoweit der Behandlung von  Patienten im Rahmen der Ambulanzen der ermächtigten Ärzte, die in ihren Ambulanzen in ihrem überwiegend eigenen Interesse tätig sind. Die ermächtigten Ärzte wirken dabei zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten mit, nicht aber innerhalb des Versorgungsauftrags des Krankenhauses. Ein Krankenhaus kann auch ohne Personal- und Sachmittelgestellung an ambulant tätige ermächtigte Ärzte betrieben werden. Allein die Tatsache, dass ein Krankenhaus dadurch  zusätzliche Einnahmen erzielt, reicht für die Zuordnung zum Zweckbetrieb „Krankenhaus“ nicht aus.

Zudem wurden die Sozialversicherungsträger im Rahmen der Krankenhausvergütung durch die Personal- und Sachmittelgestellung an die ermächtigten Ärzte nicht zusätzlich belastet.

Die im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen Leistungen der ermächtigten Krankenhausärzte werden nach den für Vertragsärzte geltenden Grundsätzen aus der vertragsärztlichen Gesamtvergütung vergütet. Die mit diesen Leistungen  verbundenen allgemeinen Praxiskosten, die durch die Anwendung von ärztlichen Geräten entstehenden Kosten sowie die sonstigen Sachkosten sind mit den Gebühren abgegolten, soweit in den einheitlichen Bewertungsmaßstäben nichts Abweichendes bestimmt ist.

Demgemäß bleibt es einer vertraglichen Regelung zwischen Krankenhaus und ermächtigtem Arzt vorbehalten, in welchem Umfang und in welcher Höhe für die Inanspruchnahme von Personal und Sachmitteln des Krankenhauses ein Ausgleich  erlangt wird. Der Umfang des Abzugs für die Personal- und Sachmittelgestellung belastet danach den ermächtigten Arzt, dessen abzurechnende Vergütung dadurch gemindert wird, nicht aber die gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung abzurechnende Vergütung. Im Ergebnis erfolgt durch den Ausgleich für die Personal- und Sachmittelgestellung eine Abgeltung des wirtschaftlichen Nutzens, den der ermächtigte Arzt aus der Inanspruchnahme der personellen und sächlichen
Ressourcen des Krankenhauses für seine Behandlungen als ermächtigter Arzt zieht. Dem entspricht es auch, dass die Abrechnungssysteme der ermächtigten Ärzte über die Kassenärztlichen Vereinigungen einerseits und unmittelbar durch die Krankenkasse andererseits rechtlich strikt getrennt sind.

Eine Zuordnung zum Zweckbetrieb scheidet danach auch für die Übernahme der Abrechnungstätigkeit sowie für den sogenannten Vorteilsausgleich aus.

Es fehle bereits an einem hinreichenden Zusammenhang der Einnahmen aus der Personal und Sachmittelgestellung mit einer Krankenhausbehandlung, außerdem seien die Sozialversicherungsträger im Rahmen der Krankenhausvergütung durch die Personal- und Sachmittelgestellung an die ermächtigten Ärzte nicht zusätzlich belastet worden.
Eine Zuordnung zum Zweckbetrieb Krankenhaus, wie vom FG angenommen, scheide danach auch für die Übernahme der Abrechnungstätigkeit sowie für den sog. Vorteilsausgleich aus (vgl. zum Thema auch die Parallelentscheidung BFH v. 14.12.2023 – V R 2/21, NV, BeckRS 2023, 46389).

Praxishinweis

Die Nebentätigkeit von angestellten Ärzten sollte kritisch überprüften werden. Jedenfalls ambulante Tätigkeiten können nach Auffassung des BFH nicht dem steuerbefreiten Bereich zugeordnet werden.

Über die weiteren Entwicklungen nach Zurückverweisung werden wir informieren Bei steuerrechtlichen Fragestellungen und der Wahrung Ihrer Rechte unterstützen wir Sie gerne.

Vergaberecht

VK Südbayern, Beschluss vom 8.12.2022 – 3194.Z3 – 3 01-22-23

1. Eine Auftragswertschätzung, die ganz knapp unter den EU-Schwellenwerten liegt und in einem Verfahren erfolgt, in dem der Auftraggeber ein großes Interesse daran hat, unterhalb der Schwellenwerte zu bleiben, bedarf einer besonders sorgfältigen Dokumentation.

2. Dokumentiert der Auftraggeber zwar die Positionen, welche in die Schätzung des Auftragswerts eingeflossen sind, fehlen aber wichtige Erläuterungen dazu, welche Annahmen er bei den ausgewiesenen Beträgen zugrunde gelegt hat, ist
die Auftragswertschätzung nicht nachvollziehbar.

3. Fehlt es an einer ordnungsgemäßen oder plausiblen Auftragsschätzung, muss die Vergabekammer im Nachprüfungsverfahren den Auftragswert selbst anhand der eingegangenen Angebote schätzen.

4. Leistungen des öffentlichen Auftraggebers, die zu entsprechenden Einsparungen oder Aufwandsminderungen beim Auftragnehmer führen, stellen einen geldwerten Vorteil dar, der bei der Kostenschätzung zu berücksichtigen ist.

5. Fordert der Auftraggeber lediglich die Erstellung einer Schnittstelle und nicht deren Vorhandensein, kann die Schnittstelle nicht zur Begründung eines Alleinstellungsmerkmals i.S.d. § 14 Abs. 4 Nr. 2 b) VgV herangezogen werden, wenn sie unstreitig zeitnah erstellt werden kann.

6. Eine besondere Dringlichkeit i.S.d. § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV liegt nicht vor, wenn der Beschaffungsbedarf schon seit vielen Monaten bekannt war, entsprechende Vergabeverfahren aber nicht vorangetrieben wurden und der Beschaffungsbedarf dann mit Hilfe der Corona-Verfahrenserleichterungen im Unterschwellenbereich schnell „mitgenommen“ werden soll.

Sachverhalt

Der Auftraggeber beauftragt die Beigeladene im März 2022 ohne Durchführung eines europaweiten Vergabeverfahrens mit der Bereitstellung eines Softwaresystems zur standardisierten Notrufabfrage für eine integrierte Leitstelle. Der Vertrag wurde geschlossen, ohne dass der Auftraggeber zuvor eine Auftragsbekanntmachung im EU-Amtsblatt veröffentlicht hätte. Auch eine öffentliche Bekanntmachung des vergebenen Auftrags erfolgte nicht. Ausweislich eines Vermerks über die  Auftragswertberechnung nach § 3 VgV schätzte der Auftraggeber den Auftragswert auf EUR 210.600,00. Für die Ermittlung des geschätzten Auftragswerts sei ein Informationsaustausch mit anderen Berufsfeuerwehren in Bayern erfolgt.
Darüber hinaus seien die dem Auftraggeber vorliegenden Erkenntnisse einbezogen worden, so dass sich ein geschätzter Auftragswert von EUR 200.000,00 bis EUR 210.000,00 netto ergeben habe. Die Antragstellerin rügt die Vergaberechtwidrigkeit des Vertragsschlusses, da der EU-Schwellenwert überschritten sei und daher ein europaweites Vergabeverfahren hätte durchgeführt werden müssen. Der Auftraggeber hilft der Rüge nicht ab. Die Beschaffung sei vor dem Hintergrund des geschätzten Auftragswertes im Zusammenhang mit der Corona-Krise im Rahmen einer Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb möglich. Die Notwendigkeit zur Beschaffung der Software liege in der Corona-Krise begründet. Daraufhin
reichte die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag ein.

Entscheidung

Dieser Nachprüfungsantrag hatte Erfolg! Der Auftraggeber hat den geschätzten Auftragswert nicht ordnungsgemäß ermittelt. Die in der dokumentierten Auftragswertberechnung aufgeführten Positionen stimmen nicht mit den Positionen des Leistungsverzeichnisses überein, welches Gegenstand des Angebots der Beigeladenen ist. Dies ist jedoch grundsätzlich Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Auftragswertschätzung. Hinzu kommt, dass die dokumentierte  Auftragswertberechnung zwar die Positionen benennt, welche in die Schätzung des Auftragswerts eingeflossen sind, Erläuterungen dazu, welche Annahmen der Auftraggeber bei den ausgewiesenen Beträgen zugrunde legte, fehlen jedoch. Inwiefern die Orientierung an den Preisen der herangezogenen Leitstelle eine wirklichkeitsnahe Schätzung ermöglichen und inwiefern gegebenenfalls Zuschläge berücksichtigt wurden, bleibt somit völlig unklar. Da es an einer plausiblen Kostenschätzung fehlt, musste die Vergabekammer den Auftragswert selbst anhand der eingegangenen Angebote schätzen. Die Richtigkeit der Auftragswertschätzung kann jedoch nicht mit dem Angebot der Beigeladenen gestützt werden, da es nicht alle Preisbestandteile umfasst, die bei der Ermittlung des Gesamtwerts zu berücksichtigen sind. Der Gesamtauftragswert bestimmt sich nach der Summe aller Kosten der nachgefragten Leistungen unter Berücksichtigung jeglicher Geldströme. Die Schätzung muss insoweit alle geldwerten Vorteile einbeziehen, die ein zukünftiger Vertragspartner aus dem Auftrag ziehen kann. Unter Berücksichtigung aller einzubeziehenden Bestandteile, war der EU-Schwellenwert vorliegend überschritten.

Praxishinweis

Die vorstehend dargestellte Entscheidung macht deutlich, dass der Auftraggeber die Auftragswertschätzung zwingend anhand des konkret zu beschaffenden Auftrags vorzunehmen, zu dokumentieren und zu erläutern hat. Besonders relevant ist dies
insbesondere dann, wenn der geschätzte Auftragswert knapp unter dem maßgeblichen EU-Schwellenwert liegt.

Ihre Ansprechpartner

Carola Hollnack
Geschäftsführende Gesellschafterin
Rechtsanwältin
Fon: +49 (0) 6131 - 2 04 78 - 97
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Linda Egler
Geschäftsführerin
Rechtsanwältin
Fon: +49 (0) 681 8 91 97 - 46
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