Health Care & Krankenhaus
Mit unseren Rundschreiben informieren wir die Entscheidungsträger von Krankenhäusern über aus unserer Sicht wichtige rechtliche Entwicklungen im Krankenhaussektor.Krankenhausreform beschlossen – Komplexe Fragen bei der Umsetzung
Am 22. November 2024 hat der Bundesrat das (aus Sicht des Bundesgesundheitsministeriums zustimmungsfreie) Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) im 2. Durchgang passieren lassen und den Vermittlungsausschuss nicht angerufen.
Das KHVVG tritt damit in der vom Deutschen Bundestag am 17. Oktober 2024 beschlossenen Fassung am Tag nach der Verkündung in Kraft (geplant zum 1. Januar 2025).
Von der nunmehr besiegelten Krankenhausreform sind weitreichende Maßnahmen insbesondere zur Anpassung der Rahmenbedingungen der Krankenhausplanung und -finanzierung sowie der stationären und ambulanten Leistungserbringung umfasst.
Diese werden neben durchgreifenden Fragen zur Patientengerechtigkeit einer deutlichen Reduktion von spezialisierten Versorgungsangeboten und einer beabsichtigten zentralen Versorgungssteuerung, Fragen der Sicherstellung der Versorgung im ländlichen Raum und Gewährleistung des Grundsatzes der Trägervielfalt auch zahlreiche komplexe Rechtsfragen in der praktischen Umsetzung aufwerfen.
Dies betrifft zunächst insbesondere den stattfindenden Wechsel von der fachabteilungsbezogenen Krankenhausplanung zu einer leistungsgruppenbezogenen Planung.
Krankenhausplanung anhand bundeseinheitlicher Leistungsgruppen
Die Krankenhausplanung wird künftig anhand von 65 bundeseinheitlichen Leistungsgruppen erfolgen. Die im Gesetz bereits vordefinierten Vorgaben für die Leistungsgruppen werden über eine Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bis zum 31. März 2025 mit Wirkung ab dem 1. Januar 2027 erlassen. Ergänzend zu den Struktur- und Prozessvorgaben in den Leistungsgruppen wird es Mindestvorhaltezahlen (Mindestfallzahlen je Leistungsgruppe) geben, die in einer gesonderten zustimmungspflichtigen Rechtsverordnung ebenfalls mit Wirkung zum 1. Januar 2027 erlassen werden sollen.
Die Zuordnung der Leistungsgruppen erfolgt durch die für die Krankenhausplanung zuständige Landesbehörde unter Berücksichtigung aller Vorgaben der Leistungsgruppen und ist Voraussetzung für die Krankenhäuser, um die entsprechende Vorhaltevergütung zu erhalten (ab 1. Januar 2027).
Eine Ausnahme ist nur möglich, wenn das Krankenhaus unabhängig von der Erfüllung der für die jeweilige Leistungsgruppe festgelegten Mindestvorhaltezahl zur Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung zwingend erforderlich ist (u.a. Fahrzeitkriterium). Die Erfüllung der Struktur- und Prozessvorgaben in den Leistungsgruppen ist unter bestimmten Voraussetzungen auch im Rahmen von Kooperationen und Verbünden zulässig.
Rechtsschutzmöglichkeiten bei unerwünschten Planungsentscheidungen
Grundsätzlich ist es in verwaltungsrechtlichen Verfahren so, dass Adressaten gegen sie belastende Bescheide Anfechtungsklage erheben können, um den Bescheid aufheben zu lassen, zum Beispiel wenn einem Krankenhaus ein bislang zugewiesener Versorgungsauftrag entzogen oder dieser eingeschränkt wird.
In der Regel haben derartige Anfechtungsklagen „aufschiebende Wirkung“. Das bedeutet, dass bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides der Status quo ante, also der Zustand vor dem Erlass des einschränkenden Bescheides bis auf weiteres fortbesteht. Das heißt konkret, dass ein Krankenhaus die streitgegenständlichen Leistungen, die bislang zu seinem Versorgungsauftrag gehörten, auch weiterhin erbringen und abrechnen darf, bis rechtskräftig über die Rechtmäßigkeit des versagenden Feststellungsbescheides entschieden ist.
Keine Aufschiebende Wirkung bei behördlichen Planungsentscheidungen nach KHVVG
Das KHVVG wird für sich gesehen keine aufschiebende Wirkung mit sich bringen, unabhängig davon, ob keine Leistungsgruppe ausgewiesen oder eine Leistungsgruppe später entzogen wird.
Durch den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung besteht das Risiko, dass selbst gravierende Fehlentscheidungen erst einmal vollzogen werden. Nachfolgend die Rechtswidrigkeit festzustellen, kommt in der Regel zu spät.
Ein Krankenhaus kann die aufschiebende Wirkung und damit die Berechtigung zur einstweiligen fortgesetzten Leistungserbringung im bisherigen Umfang somit nur dadurch erreichen, dass es in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren beantragt, die aufschiebende Wirkung der eingelegten Anfechtungsklage anzuordnen.
Sofern ein dahingehender Antrag positiv beschieden würde, ergeben sich vor dem Hintergrund des Systemwechsels in der Krankenhausplanung jedoch weitere Folgefragen.
So wäre eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung in einem solchen Fall aus nachfolgenden Gründen systemfremd.
Zum einen dürfte die Aufrechterhaltung des bisherigen Versorgungsauftrags unter Geltung der neuen Leistungsgruppensystematik zumindest fragwürdig sein, da die bisherige Krankenhausplanung nach Fachabteilungen erfolgte, so dass bisher gar kein leistungsgruppenbezogener Versorgungsauftrag existiert.
Zum anderen könnte auch die Aufrechterhaltung des Versorgungsauftrags im Umfang bisheriger Fachabteilungsplanung systemfremd erscheinen und im Einzelfall unter Umständen auch zu weitgehend sein, da voraussichtlich nicht sämtliche Leistungsgruppen, die der jeweiligen Fachabteilung unterfallen, überhaupt streitbefangen sein dürften.
Einstweilige Anordnung der Leistungserbringung
Eine alternative Möglichkeit könnte für die Planungsbehörden darin bestehen, dem Krankenhaus vorläufig die Erbringung von Leistungsgruppen zu gestatten, die es bei Zuspruch der beantragten Leistungsgruppen hätte erbringen dürfen.
Nach den geltenden allgemeinen Rechtsgrundsätzen ließe sich das jedoch nur mit einem eine Verpflichtungsklage begleitenden Eilrechtsschutz auf einstweilige Anordnung – hier gerichtet auf vorläufige Zuweisung der beantragten, aber abgelehnten Leistungsgruppen – erreichen.
Ob eine derartige Kombination aus Anfechtungs- und Verpflichtungsklage in der Hauptsache und einstweiligem Rechtsschutz im konkreten Einzelfall angezeigt und zielführend ist, kann und muss immer im konkreten Einzelfall unter Heranziehung der Gesamtumstände beurteilt werden.
Vor dem Hintergrund des grundsätzlichen Verbots einer Vorwegnahme der Hauptsache sind die rechtlichen Hürden, die hierbei zu nehmen sind, erheblich.
Praxishinweise
Die beschlossene Krankenhausreform hat sehr weitreichende Folgen für die Praxis. Krankenhäuser sollten sich frühzeitig mit den komplexen Regelungen des KHVVG und der Krankenhausplanung der jeweiligen Länder vertraut machen und vorbereiten.
Insbesondere sollten Standpunkte bereits im Vorfeld und bei anlaufenden Planungsprozessen der Krankhausplanungsbehörden der Länder erarbeitet und vorgebracht werden, um Einfluss auf Entscheidungen nehmen zu können.
Die Verwirklichung der eigenen Rechte im nachgelagerten gerichtlichen (Eil-) Rechtsschutz wird von zahlreichen derzeit noch ungeklärten Rechtsfragen und damit nicht zu unterschätzenden Herausforderungen und Unwägbarkeiten begleitet sein.
Bei allen Fragen zu den Regelungen des KHVVG, der Umsetzung in der Praxis und bei der Wahrung Ihrer rechtlichen Interessen unterstützen wir Sie gerne.
Ihre Ansprechpartner
Carola Hollnack
Geschäftsführende Gesellschafterin
Rechtsanwältin
Fon: +49 (0) 6131 - 2 04 78 - 97
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